Historie
Geschichte von Burg und Herrschaft Wasserburg
Ein weit in den See vorgeschobener, üppig bewachsener eiszeitlicher Molasserücken mag in frühen Zeiten schon immer die Menschen angezogen und ihnen am und im Bodensee Sicherheit verheißen haben. Aus vorgeschichtlicher Zeit sind einige interessante Funde überliefert: Ein etwa 7000 Jahre alter Schuhleistenkeil, wohl eine „Dechselklinge“ und einige mager gebrannte Randscherben geben zumindest Zeugnis von frühen Begehungen der einstigen Bodenseeinsel.
Aus alemannischer Zeit, aber noch vor der Christianisierung datiert ein Gräberfund auf dem Gelände des Schlossgartens. Der Ortsname „wazzarburuc“ wird erstmalig in einer Urkunde des Klosters Sankt Gallen aus dem Jahre 784 genannt. Bezeugt wird darin der Freilassungsakt einer ehemaligen alemannischen Leibeigenen namens Liupnia und deren Töchter Sikifrit und Rotni. Als Ausgleich wurde nach römischem Recht die Bezahlung einer alljährlichen „Trimissa“ an das Kloster Sankt Gallen und nach Sankt Georg in Wasserburg vereinbart. Demnach muss das wohl von den in Meersburg begüterten Merowingern gestiftete und dem Kloster Sankt Gallen inkorporierte Gotteshaus schon im frühen 8. Jahrhundert auf der Bodenseeinsel errichtet worden sein. Wohl zeitgleich wurde zum Schutz des frühen Gotteshauses und der Sankt Gallener Interessen, am Nordufer des Bodensees eine trutzige Burg am Wasser errichtet.
Noch heute erkennt man gewaltige Buckelquader aus dieser Zeit im Fundament der Schlossmauer gegen die Straßenseite hin. Die Festung sollte sich bald bewähren, als ungarische Reiterhorden zu Beginn des 10. Jahrhunderts raubend und brennend über Land zogen. Abt Engelbert brachte seine Klosterschüler und greisen Mönche aus dem Kloster Sankt Gallen noch rechtzeitig mit Schiffen auf der Festung Wasserburg in Sicherheit, ehe die Ungarn im Steinachtal Kloster und Gotteshaus in Schutt und Asche legten.
Über eine längere Zeit war Wasserburg danach Sankt Gallener Verwaltungssitz, wo wichtige Verträge geschlossen und Urkunden gesiegelt wurden. Die gewaltige Ausdehnung der Sankt Gallener Besitztümer nach Norden verlangte bald eine Neuordnung der Verwaltungsstrukturen.
Die Herren von Kißlegg sind als erste Ministerialen des Klosters Sankt Gallen in Wasserburg genannt. Berthold von Kißlegg, ohne männliche Erben ausgestattet, verkaufte 1280 die Herrschaft Wasserburg für 500 Pfund Silber an die einflussreichen Herren Marquardt und Ulrich von Schellenberg. Zugleich verheiratete er seine Tochter an Tölzer, den Sohn Marquardts.
Die angesehenen Herren von Schellenberg hatten über mehrere Generationen das kaiserliche Amt des Landvogtes von Schwaben mit Sitz in Ravensburg inne. Die Schellenberger begannen alsbald mit dem Ausbau eines Wohnturmes in einer autarken Uferfestung. Damit hatte Wasserburg den Rang eines „Oppidums“, einer umfriedeten Stadt mit allen Rechten erworben. Der hochverschuldete Marquardt III. erpresste nach dreister Geiselnahme eines Lindauer Schutzjuden eine enorme Lösegeldsumme. Daraufhin brannte der Städtebund am See auf Betreiben der Stadt Lindau am Johannitag 1358 die Schellenberger Festung Wasserburg bis auf die Grundmauern nieder. Lindau hatte damit auf legitime Weise eine ungeliebte Konkurrenz am östlichen Bodensee beseitigt.
Die angesehenen Herren von Schellenberg hatten über mehrere Generationen das kaiserliche Amt des Landvogtes von Schwaben mit Sitz in Ravensburg inne. Die Schellenberger konnten sich von diesem verheerenden Schlag nie mehr erholen und verpfändeten die Herrschaft Wasserburg 1374 an die bei Amtzell begüterten Herren von Ebersberg.
Die Montforter Grafen hatten schon lange beabsichtigt, die Herrschaft Wasserburg in ihr Territorium zu inkorporieren. Die Herren von Ebersberg verwirklichten die Übergabe im Jahre 1386 nach zweijährigen Verhandlungen. Das Haus Montfort verlegte allerdings schon bald seine Residenz ins nahe Tettnang. Graf Hugo der XVI. war als hochgebildeter Jurist am Reichskammergericht in Speyer tätig. Er brachte 1526 durch geschicktes Verhandeln die Kontrahenten in den Wirren des Bauernkrieges, nämlich die Aufständischen unter Hauptmann Hurlewagen und den Schwäbischen Bund unter dem Truchsess Georg von Waldburg, dem „Bauernjörg“, an den Verhandlungstisch und ermöglichte so den Abschluss des Friedens von Weingarten. Weiteres Blutvergießen am See wurde damit verhindert.
Für diese diplomatische Großtat vermachte der Abt von Sankt Gallen nach einer mündlichen Überlieferung dem Grafen Hugo XVI. das Gemäuer der alten Wasserburg. In den Jahren 1537 bis 1555 ließ Graf Hugo auf den Fundamenten der alten Burg ein repräsentatives dreiflügeliges Renaissanceschloss errichten. Eine allzu kostspielige Bautätigkeit in der Residenzstadt Tettnang hatte die Erben aus dem Hause Bregenz-Beckach des Grafen Ulrich von Montfort-Tettnang veranlasst, das „Wasserburger Pfand“ 1592 an die emporstrebende Familie der Fugger von Kirchberg und Weißenhorn zu Babenhausen zu veräußern. Der wohlsituierte Jacob Fugger hatte davor schon mehrfach seinem Schwiegersohn Hans von Montfort, einem der Tettnanger Erbgrafen, finanziell unter die Arme gegriffen. Jacob Fugger ließ als Patronatsherr die Wasserburger Sankt-Georgs-Kirche standesgemäß und großzügig ausstatten.
Mit der Herrschaft Wasserburg hatten die Fugger von den Montforter Grafen die Blutgerichtsbarkeit übernommen. In den Jahren 1597/98 wurde auf den östlichen Fundamenten der alten Festung ein Gerichtshaus erbaut, um diesem Privileg gebührend Rechnung zu tragen. Georg Fugger, der zweite Regent in Wasserburg, mit dem Status eines Landvogtes in Schwaben ausgestattet, errichtete am Bichl-Weiher eine Münzstätte, in der er einige Jahre lang das fuggersche Silber, aus den Tiroler Gruben von Schwaz und Sterzing, zu Münzen schlagen ließ.
Die Amtszeit des Grafen Georg wurde von den Wirren des 30jährigen Krieges überschattet. Da Graf Georg kinderlos starb trat sein Neffe, Leopold Fugger, das Wasserburger Erbe an. Er weilte zumeist als Oberststallmeister am Hofe des Erzherzogs Karl Ferdinand in Innsbruck. Die Amtsgeschäfte in Wasserburg führte indessen der fuggersche Oberamtmann Bartholomäus Heuchlinger. Er wird für die grausamen Hexenprozesse im damaligen Gerichtshaus (Malhaus) verantwortlich gemacht. Nicht weniger als 26 Personen wurden hier in den Jahren um 1660 zum Tode auf dem Scheiterhaufen verurteilt. Als im Jahre 1720 das Haus Fugger nicht mehr in der Lage war, die Zugbrücke zur Insel erneuern zu lassen, entschloss man sich kurzerhand, die Brücke durch einen Damm zu ersetzen. Damit war der Inselcharakter von Wasserburg verloren, zumal spätere Aufschüttungen nach und nach den einst trennenden Wassergraben mehr und mehr vergessen ließen.
Wegen der starken Verschuldung des Grafen Joseph Maria Fugger von Kirchberg und Weißenhorn zu Wellenburg war das Haus Fugger gezwungen die Herrschaft Wasserburg 1755 an das Erzhaus Österreich zu verkaufen. Wenige Jahre zuvor, im Februar 1750, war der gesamte Westflügel des stolzen Schlosses ein Raub der Flammen geworden. Dabei wurde ein großer Teil der fuggerschen Registratur vernichtet. Mit der Übernahme durch das Haus Habsburg begann zugleich eine sehr bewegte und ereignisreiche Zeit in Wasserburg. Um das Jahr 1780 wurde für die gesamte Pfarrei die Schulpflicht eingeführt. Schulhaus wurde zuerst das leerstehende Malhaus, später das Amtshaus in der Südwestecke des Schlossgartens. Kaiser Joseph II. hob in seinem Machtbereich die Leibeigenschaft auf und beschnitt sehr drastisch die althergebrachten Privilegien der Kirche. Mit der französischen Revolution und den darauf folgenden Koalitionskriegen litt auch das vorderösterreichische Wasserburg unter Einquartierungen, Truppendurchzügen und Rekrutenaushebungen.
Nach dem Pressburger Frieden vom 26.12.1805 kam Wasserburg zusammen mit der Stadt Lindau und Teilen Oberschwabens zum Kurfürstentum Bayern, das schon am 1.1.1806 von Napoleon Bonaparte unter König Maxmilian I. Joseph zum Königreich erhoben wurde.
Im Jahr 1812 trennte sich das Königreich Bayern vom traditionsbehafteten Schloss Wasserburg und verkaufte den ganzen Komplex für 2000 Gulden an ein privates Konsortium um die alteingesessene Wasserburger Familie Köberle, die fast zwei Jahrhunderte im Besitz des Schlosses blieb.
Schloss Wasserburg
In der Nordostecke des heutigen Bauwerkes verbirgt sich der Rest des ursprünglichen Turmhauses der Schellenberger Burg, die noch heute in massiven Mauerstärken nachweisbar ist. Nach der Schenkung von 1537 erbauten die Monforter in der Renaissancezeit eine repräsentative Dreiflügelanlage. Dabei wurden der Treppenturm und die spitzwinklig zu einander stehenden Seitenflügel ergänzt; so entstand ein geschützter Innenhof. Den erfolgreichen Abschluss dieser Bautätigkeit dokumentieren ein Wappenstein mit der Jahreszahl 1555 auf den Eckquadern des ehemaligen Wohnturmes an der Nordostecke in etwa zehn Metern Höhe. Die Jahreszahl 1560 findet man auf einem Renaissancetürstock im Inneren des Schlossbaus, am obersten Absatz der Treppenturmspindel.
Der Schlossbrand vom 27. Februar 1750 verwandelte den Westflügel in ein schuppenartig abgeschrägtes Provisorium, das bis heute Bestand hat. Der noch erhaltene Ostflügel hat drei Geschosse und nach Süden und Norden drei, nach Westen vier Fensterachsen. Der Schlosszugang auf der Ostseite über eine kleine Freitreppe ist wohl erst im 18. Jahrhundert entstanden, ebenso wie die in einer Segmentbogennische stehende Haustüre. Typisch ist das Satteldach mit giebelseitigen Schopfwalmen. Die Dachkanten zeigen zeittypisches Profilgesims. Im zweiten Geschoss wurde zum Schlossgarten hin eine ursprünglich vermauerte Türöffnung zu einem Balkon umgestaltet. Es ist möglich, dass hier entweder der Zugang zu einer Wehranlage bestand oder eine der üblichen hölzernen Abortanlagen angefügt war. Der mittlere Südflügel hat auf der Seeseite nur zwei Geschosse zu vier Fensterachsen und ein Satteldach mit einem Schopfwalm im Westen. Zum Schlosshof hin ist dieser Flügel dreigeschossig und wurde im Zuge der letzten Renovierung 1982 umgestaltet. Erhalten blieb ein rundbogiges Fenster mit Krangaube.
Der Schlosskeller unter dem Ostflügel ist zum Teil in den anstehenden Fels gehauen und von einer barocken Tonne überwölbt. Auch die Räume im ersten Stock darüber sind tonnengewölbt. Die flachen Kellerdecken des Südflügels werden durch vierkantige Holzpfeiler mit gefasten Ecken gestützt. Das Gebäude des heute als deutsch-französisches Schülerheim genutzten, ehemaligen Schlosstorkels wurde erst um 1820 errichtet und war über längere Zeit Lagerhalle an der Sommerlände der Lastschiffer. Am Rande des Schlossgartens steht heute die „Hülle“ des ehemaligen Amtshauses der Montforter, das auf Grund einer Schenkung des ersten bayerischen Königs Maximilian I. Joseph anno 1815 als Schulhaus in den Besitz der Gemeinde Wasserburg überging. Inzwischen haben sich sowohl das äußere Erscheinungsbild als auch der funktionale Baukörper völlig verändert.
Für mehr Informationen und Illustrationen empfehlen wir den Kunstführer Wasserburg vom Fink-Verlag
(Quelle und Urheber: Fridolin Altweck)
Fridolin Altweck
Ortsheimatpfleger von Wasserburg
13.10.2016 und
13.3.2024